Kleine Planeten
Noch zum Ende des 18. Jahrhunderts "bestand" unser Sonnensystem nur aus den seit dem Altertum bekannten großen Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn sowie dem erst 1781 von Herschel mit dem Teleskop entdeckten Planeten Uranus. Zeichnet man die Planetenabstände von der Sonne maßstabsgerecht auf, so fällt eine relativ grosse Lücke zwischen Mars und Jupiter auf.
Der „fehlende“ Planet
Bereits Kepler vermutete, dass im etwa dreifachen Abstand der Erde von der Sonne ein weiterer Planet existieren könnte. Da dieser Körper offenbar sehr lichtschwach sein musste, begann ein Dutzend europäischer Astronomen um 1790 mit einer systematischen Suche. In der ersten Nacht des 19. Jahrhunderts, also am 1. Januar 1801, gelang dem sizilianischen Mönch Giuseppe Piazzi die Entdeckung dieses ‚fehlenden’ Planeten. Er wurde nach einigen Querelen auf den Namen (1) Ceres getauft, der römischen Göttin des Ackerbaues. Der Planet war indes so lichtschwach, dass es offenbar also auch ein sehr kleiner Körper ist und damit nicht der eigentlich erwartete große Hauptplanet.
Die ersten Entdeckungen
Die Suche ging weiter, und so fand Olbers in Bremen bereits 1802 den Planeten (2) Pallas, genannt nach der Göttin der Weisheit, des Krieges und der Künste. Harding in Lilienthal bei Bremen fand 1804 die (3) Juno, die Königin aller Götter und wiederum Olbers glückte 1807 die Auffindung von (4) Vesta, der Göttin des Feuers und Schwester der Ceres. Mit diesen Namen war gleichzeitig ausgesagt, dass die nunmehr Kleine Planeten genannten Körper einen gemeinsamen Ursprung haben und vermutlich durch die Zerstörung eines großen Planeten entstanden waren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts folgten weitere Entdeckungen. Um 1900 war die Zahl der Kleinen Planeten bereits auf über 450 angestiegen. Während man zunächst alle Entdeckungen durch Beobachtungen mit dem Auge durch kleinere Fernrohre machte, begann 1892 der Siegeszug der Astro-Photographie. Vorreiter dabei war der bekannte Heidelberger Astronom Max Wolf, der zunächst in der Heidelberger Altstadt und später auf der neuerbauten Sternwarte auf dem Königstuhl stundenlange Belichtungen des Nachthimmels ausführte. Seine erste Entdeckung gelang ihm am 22. Dezember 1891 mit dem Kleinen Planeten (323) Brucia. Dabei deutet die Ziffer in Klammern schlicht die Entdeckungsreihenfolge an. Nummer und Name zusammen bilden aus Gründen der Redundanz die offizielle Bezeichnung des Objekts.
Vorschlagsrecht beim Entdecker
Traditionell steht dem Entdecker eines Kleinen Planeten das Recht der Abgabe eines Namensvorschlags zu. Wurden im 19. Jahrhundert fast nur Namen aus der Mythologie des klassischen Altertums benutzt, so änderte sich dies nach 1900 dramatisch. Mehr und mehr wurden berühmte Astronomen und andere Wissenschaftler geehrt, so dass man schließlich scherzhaft von einem Astronomenfriedhof sprach. Neben herausragenden Dichtern und Denkern kamen später auch etliche Städte, Landschaften und ganze Staaten, Gebirge und Seen, Universitäten in dieser Form an den Himmel. Eine Reihe teilweiser kurioser Namen beweist den Einfallsreichtum der Namensgeber, wobei natürlich in vielen Fällen dem jeweiligen Zeitgeist entsprochen wurde. Es gibt inzwischen auch eine ganze Reihe Kleinplaneten mit Bezug zu Heidelberg, etwa (325) Heidelberga, (353) Ruperto Carola, (1223) Neckar, (10358) Kirchhoff oder (10361) Bunsen.
Mehr als 400.000 Kleine Planeten bekannt
Heute kennt man bereits über 400.000 nummerierte Kleine Planeten. Die Nummer wird dabei erst dann zugeteilt, wenn die Bahn des Planeten so sicher berechnet ist, dass eine Wiederauffindung auch noch nach einigen Jahrzehnten sichergestellt ist. Erst nach der Erteilung der endgültigen Nummer kann der Entdecker einen Namen vorschlagen. Darüber wacht die International Astronomical Union (IAU), der Zusammenschluss aller Astronomen der Erde. Die IAU hat ein heute von 15 Astronomen aus 11 Ländern und nahezu allen Erdteilen Gremium etabliert, welches bestimmte Regularien der Namensvergabe überwacht. Dieses Committee of Small Bodies Nomenclature (CSBN), dem der Heidelberger Astronom Dr. Lutz D. Schmadel als deutscher Vertreter angehört, hat etwa zu prüfen, ob der vorgeschlagene Name nicht einem bereits existierenden Namen zu sehr ähnelt oder aus anderen Gründen nicht statthaft ist. So darf man beispielsweise Politiker frühestens 100 Jahre nach ihrem Tode vorschlagen. Generell sind Namen anstößigen Geschmacks nicht zulässig. Es ist selbstverständlich, dass man einen Namen nicht kaufen kann und es ist natürlich auch klar, dass man nicht etwa seinen eigenen Namen vorschlagen darf. So ist z.B. auch der Kleine Planet (2234) Schmadel als besondere Ehrung durch einen in Chile arbeitenden Astronomen getauft worden.
Wie entdeckt man nun einen Kleinen Planeten?
Dr. Lutz D. Schmadel vom Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg hat in den Jahren 1990-1993 mit seinem Kollegen Dr. Freimut Börngen am Karl-Schwarzschild-Observatorium in Tautenburg in der Nähe von Jena systematisch nach neuen Kleinen Planeten gesucht. Dazu belichteten sie große photographische Platten mit dem 2m-Schmidt-Teleskop, dem größten derartigen Instrument auf der Erde. Durch Vergleich der zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen Platten lassen sich nun die Kleinen Planeten als bewegliche Objekte gegenüber dem Hintergrund der unbeweglichen Fixsterne erkennen und ausmessen. Zusammen haben diese beiden Astronomen dabei 500 neue Planeten entdecken können, die inzwischen alle in zu verschiedenen Zeiten beobachtet und vermessen worden sind und damit eine definitive Nummer erhalten haben. Dr. Schmadel war als Astronomiedirektor am Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg beschäftigt und hat sich dort hauptsächlich der Dynamik der Kleinen Planeten gewidmet. Er ist als Autor der Monographie "Dictionary of Minor Planet Names" bekannt geworden, dem international anerkannten Standardwerk zur Nomenklatur der Kleinen Planeten.
Die „Entdeckungsmaschine“
Das hauptsächliche Hilfsmittel bei der Suche nach Kleinen Planeten für Schmadel und Börngen war das 2m-Universalteleskop am Karl-Schwarzschild-Observatorium der Thüringer Landessternwarte Tautenburg. Das 1960 fertiggestellte Teleskop wurde von Carl Zeiss, Jena hergestellt und trägt heute den Namen Alfred-Jensch-Teleskop zu Ehren des langjährigen Chefkonstrukteurs von Zeiss. Als sogenanntes Schmidt-Teleskop ist es auch heute noch das weltweit größte derartige Instrument. Der Hauptspiegel hat einen Durchmesser von 2 m, die vordere Korrektionsplatte von 1,34 m. Es ist damit die größte Photokamera der Erde mit einer Brennweite von 4 m und der Öffnung von f/3. Es wird ein ebenes Gesichtsfeld von 3,3° x 3,3° auf Photoplatten von 24 cm x 24 cm ausgezeichnet. Das Teleskop wiegt insgesamt 65 t, das Rohr allein noch 26 t.
Das Instrument befindet sich in der Kuppel des Observatoriums der Thüringer Landessternwarte, etwa 10 km nordöstlich von Jena. Die Kuppel mit einem Durchmesser von 20 m und einer Spaltbreite von 5 m wiegt 180 t und wird von vier Motoren mit je 4 kW Leistung angetrieben. Das Observatorium wurde 1960 als Institut der damaligen Akademie der Wissenschaften der DDR gegründet und nach dem berühmten deutschen Physiker und Astronomen Karl Schwarzschild benannt. Nach der Wiedervereinigung wurde das Institut im Jahre 1992 als Thüringer Landessternwarte neu gegründet, die nun dem Freistaat Thüringen untersteht.
Kontakt
Dr. Lutz D. Schmadel
Astronomisches Rechen-Institut (ARI)
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Mönchhofstr. 12-14
69120 Heidelberg
Tel.: 06221/541855
Schmadel@ari.uni-heidelberg.de
Dr. Freimut Börngen
Pfarrgartenstr. 1
07551 Jena-Isserstedt
Tel.: 036425/50184
boerngen@freenet.de