Forschung
Das ARI ist seit vielen Jahren in der Astrometrie aktiv und war insbesondere beteiligt an der Datenauswertung für den Satelliten HIPPARCOS. Während damals Daten von etwa 120.000 Sternen analysiert wurden, wird das Satellitenprojekt Gaia - eine Cornerstone-Mission der europäischen Raumfahrtorganisation ESA, die am 19. Dezember 2013 gestartet ist - deutlich genauere Daten für über 1 Milliarde Sterne gewinnen. Die Gaia-Datenanalyse und wissenschaftliche Auswertung ist in mehrere Teilprojekte untergliedert, wobei sich das ARI insbesondere beim Core Processing, First Look und bei der Erstellung des Gaia-Datenarchivs engagiert. Die wissenschaftliche Auswertung der Gaia-Daten wird unser Verständnis von der Entstehung und Entwicklung der Milchstraße revolutionieren.
Bei der Stellardynamik geht es um Untersuchungen zur Struktur, Dynamik und Massenverteilung von Sternsystemen. Dies reicht von sonnennahen Sternen über Sternhaufen, die Milchstrasse und anderen Galaxien bis hin zu kosmologischen Fragestellungen. Neben Radialgeschwindigkeits- und Eigenbewegungsstudien stehen besonders numerische Simulationen der dynamischen Entwicklung von Sternsystemen im Vordergrund. Am ARI gibt es große Erfahrung im Umgang mit Parallelrechnern. Zur numerischen Simulation werden Computernetzwerke eingesetzt, die zusätzlich mit Spezialhardware für die Auswertung sehr vieler gravitativer Wechselwirkungen versehen sind (GRAPE Boards). Gerade wurde ein neuer 64-Prozessor Parallelrechner installiert, der im Rahmen des Projekts GRACE (Volkswagenstiftung) und des SFB439 bewilligt wurde.
Die Arbeiten zur Galaxienentwicklung konzentrieren sich zum Teil auf nahe, in Einzelsterne auflösbare Galaxien wie unsere eigene Milchstraße und ihre Begleiter, und zum Teil auf das integrierte Licht ferner Galaxien und Galaxienhaufen. Die Erforschung der Struktur, Dynamik und Entwicklung von Spiral- und Zwerggalaxien beruht vor allem auf Untersuchungen ihrer stellaren Populationen (einschließlich der Physik von Weißen Zwergen und von Sternhaufen), die es erlauben, detaillierte 'galaktische Archäologie' zu betreiben. Internationale Großprojekte wie RAVE, SDSS und Pan-STARRS, an denen das ARI beteiligt ist, liefern hierzu einen wesentlichen Teil der Beobachtungsdaten, die durch komplexe chemodynamische und kosmologische Simulationen ergänzt werden. Bei entfernten Galaxienhaufen finden auch Röntgenbeobachtungen Verwendung.
Der Gravitationslinseneffekt, also die Lichtablenkung durch massereiche Objekte im Weltall, sorgt für Positionsänderung, Verzerrung, Verstärkung von weit entfernten Sternen, Galaxien und Quasaren. Die dramatischste Auswirkung des starken Gravitationslinseneffekts sind Doppel- und Mehrfachabbildungen. Am ARI werden einerseits Mehrfachquasare untersucht im Hinblick auf Helligkeitsänderungen, Lichtkurven, Bestimmung der Signalverzögerung ('time delay') und Microlensing. Andererseits wird der Gravitationslinseneffekt genutzt, um Planeten um andere Sterne zu finden.
Das ARI hat bis heute eine lange Reihe von astronomischen Katalogen erstellt, etwa ARIAPFS (Datenbank für die Scheinbare Örter der Fundamentalsterne), ARICNS (Datenbank für Sonnennahe Sterne), ARIHIP (astrometrisch verbesserte Daten des Satelliten HIPPARCOS), oder FK6 (Sechster Katalog der Fundamentalsterne). Neben dem primären Ziel - der Bereitstellung astrometrischer Daten - werden im ARICNS auch astrophysikalische Daten unterschiedlicher Natur angeboten und im ARIHIP zahlreiche Informationen zur Doppelsternnatur der Katalogsterne gegeben.