Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Super-Simulationen helfen die Neutrino-Masse zu bestimmen


Visualisierung einer Simulation zur Entstehung kosmischer Strukturen. Als häufigstes Elementarteilchen im Universum wirkt das Neutrino dabei signifikant mit. Daher ist es wichtig, seine Masse sehr genau zu messen. (Copyright: The EAGLE-Project http://icc.dur.ac.uk/Eagle/).

Felix Spanier vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH/ITA) und seine Kollaborationspartner Guido Drexlin und Jonas Kellerer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben in der aktuellen Antragsrunde des Gauss Center for Supercomputing (GCS) einen großen Erfolg verzeichnen können: 35 Millionen CPU-Stunden können sie für Plasma-Simulationen im Rahmen des Karlsruhe Tritium Neutrino Experiments (KATRIN) verwenden, dessen Ziel die Messung der Masse des Neutrinos ist. Das Ergebnis dieser Messung ist von fundamentaler Bedeutung u.a. für die Elementarteilchenphysik oder unser Verständnis der Entwicklung von Strukturen im Universum.

Das KATRIN-Experiment ist ein wissenschaftlicher Superlativ, dessen Bau in internationaler Zusammenarbeit rund 15 Jahre in Anspruch genommen hat. KATRIN nutzt den sogenannten Beta-Zerfall radioaktiven Tritium-Gases aus. Bei diesem Zerfall entsteht gleichzeitig ein Elektron und Neutrino. Das Neutrino lässt sich nicht nachweisen. Doch KATRIN kann eine winzige Anomalie in der Energieverteilung der Zerfalls-Elektronen messen und daraus auf die Masse des Neutrinos schließen.  

Diese winzige Anomalie im Energiespektrum wird jedoch auch vom Verhalten des Tritium-Gases beeinflusst. Durch den Zerfall des Tritiums werden nämlich hochenergetische Elektronen frei, die das Gas selbst ionisieren können, so dass aus ihm ein Plasma mit besonderen elektromagnetischen Eigenschaften wird. Der Effekt auf die zu messenden Elektronen ist zwar eigentlich minimal, aber um die Masse des Neutrinos auf die erforderlichen 0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 3 g genau zu messen, muss der Einfluss des Plasmas sehr exakt bekannt sein.

Dr. Spanier und seine Kollegen wollen dies mit aufwändigen Computer-Simulationen versuchen. Spanier, dessen Fachgebiet kinetische Plasmaphysik und Hochenergieastrophysik ist, hat in den vergangen 12 Jahren dazu den Plasmasimulations-Code "ACRONYM" entwickelt. Der Code verwendet die sogenannte "Particle-in-Cell" Methode, bei der Elektronen und Protonen als einzelne Teilchen simuliert und elektromagnetische Felder in einem Gitter gespeichert werden. Für die Simulation des KATRIN-Experiments müssen dann nicht nur das Tritium-Plasma im Inneren des Tanks, sondern auch die Eigenschaften der Wände und die ganze Kette atomarer und molekularer Prozesse (Ionisation, Rekombination etc.) betrachtet werden.

Um die Simulation an die tatsächliche Größe von KATRIN anzupassen, ist die Simulation von 50 Milliarden Teilchen verteilt auf 336x336x48639 Zellen erforderlich, die man für mehrere Millionen Zeitschritte verfolgen muss. Diese Aufgabe kann nur ein Supercomputer wie der "SuperMUC-NG" in München leisten, der auf der Top-500 Liste aller Supercomputer aktuell auf Platz 9 steht. Die Gruppe um Felix Spanier kann für ein Jahr 1,2% dessen Rechenleistung nutzen. "Es gibt in Deutschland nur drei Systeme dieser Größenordnung, die sich alle Wissenschaftsrichtungen teilen. Dass wir dennoch so einen großen Anteil an der Rechenleistung bekommen, ist für unsere Forschung ein echter Glücksfall“ berichtet Dr. Spanier.

Die Rechenzeit wird dabei für mehre einzelne Simulationen genutzt, um die verschiedenen "Betriebszustände" des KATRIN-Experiments zu simulieren. Eine einzelne Simulation benötigt zwischen 250.000 und 1.500.000 CPU-Stunden. Zum Vergleich: die neueste Generation einer weltweit beachteten Kosmologie-Simulation, der „Millenium-Simulation", nutzte 2.700.000 CPU-Stunden.

"Der hohe Simulationsaufwand liegt sicher auch darin begründet, dass bei KATRIN der Fokus auf der Neutrino-Detektion lag. Es handelt sich also nicht um ein Experiment, bei dem das Plasma selbst untersucht werden soll" erklärt Dr. Spanier. "Das Ziel am Ende ist aber ein Einfaches: wie sieht die Verteilung des elektromagnetischen Feldes im Plasma aus? Je besser man dieses kennt, umso besser kann man am Ende die Masse des Neutrinos bestimmen."

 

Ergänzende Informationen
Website des KATRIN-Experiments: <link http: www.katrin.kit.edu>www.katrin.kit.edu
Homepage von Dr. Felix Spanier: <link http: www.ita.uni-heidelberg.de external-link-new-window internal link in current>www.ita.uni-heidelberg.de/~fspanier/
Homepage des Gauss Center for Supercomputing: <link https: www.gauss-centre.eu external-link-new-window internal link in current>www.gauss-centre.eu/

Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH): <link http: www.zah.uni-heidelberg.de>www.zah.uni-heidelberg.de


Kontakt für die Medien

Dr. Guido Thimm
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Email: <link mail internal link in current>thimm@uni-heidelberg.de

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