Mit dem Weltraum-Observatorium Gaia ist es zum dritten Mal gelungen, ein Schwarzes Loch innerhalb der Milchstraße aufzuspüren. Dies wurde durch fünfjährige, ultrapräzise Messungen der ganz leicht schwankenden Position eines Sterns im Sternbild Adler möglich. Dieses Schwanken wird durch ein unsichtbares Objekt mit der 33-fachen Masse der Sonne verursacht, das der Stern alle 12 Jahre umkreist. Es ist das erste entdeckte Exemplar einer besonders massereichen Kategorie, deren Entstehung bisher weitgehend unverstanden ist.
An der Auswertung der zu Grunde liegenden Messungen ist auch das Astronomische Rechen-Institut (ARI) am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) federführend beteiligt. „Ich freue mich wirklich sehr über diese Entdeckung. Sie ist wie bereits unzählige spektakuläre Resultate zuvor erneut eine großartige Belohnung für unsere zwanzigjährige harte Arbeit in der Gaia-Datenauswertung“, sagt Michael Biermann. Biermann leitet am ZAH die größte Abteilung des Gaia Datenverarbeitungskonsortiums, die für den gesamten komplexen Prozess der Umwandlung der Rohdaten des Satelliten in das astrometrische Hauptprodukt der Mission zuständig ist.
Nach dem heutigen Verständnis der Entwicklung von Sternen mit mehr als einigen Dutzend Sonnenmassen entstehen aus ihnen am Ende Schwarze Löcher. Die wenigen bisher bekannten derartigen Exemplare sind durch ihre Wechselwirkung mit einem benachbarten Stern aufgefallen, von dem sie Gas absaugen, das dabei auf Millionen Grad erhitzt wird und dadurch extrem hell aufleuchtet. Doch die so gefundenen Schwarzen Löcher haben Massen zwischen fünf und 20 Sonnenmassen, entsprechend den theoretischen Erwartungen. Die an der Entdeckung beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind daher umso mehr fasziniert, dass es offensichtlich noch schwerere Exemplare geben kann. Denn sie sind sich sicher, dass das als "Gaia BH3" bezeichnete Schwarze Loch vor Milliarden Jahren aus einer einzigen Supernovaexplosion hervor gegangen und nicht etwa durch das Verschmelzen weniger massereicher Schwarze Löcher bei deren zufälligen Aufeinandertreffen entstanden ist.
„Die wissenschaftlichen Konsequenzen der Entdeckung werden sich erst im Lauf der kommenden Jahre zeigen. Viele Teleskope und Messinstrumente werden sich nun auf dieses Objekt richten, um erstmals die Eigenschaften und das Verhalten eines derart massereichen Schwarzen Lochs aus nächster Nähe zu studieren“, kommentiert Ulrich Bastian. Bastian war an der Fachpublikation zu Gaia BH3 direkt beteiligt.
Mit Gaia BH3 wurde der Beweis angetreten, dass es möglich ist, auch die nicht hell leuchtenden Schwarzen Löcher aufzuspüren. Das gilt zumindest für diejenigen, die mit einem Stern ein Paar bilden. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sogar die Mehrheit Schwarze Löcher unsichtbar ist. Da Gaia jedoch die Bewegungen von mehr als zwei Milliarden Sternen unserer Milchstraße zehn Jahre lang extrem präzise vermessen hat - und dies voraussichtlich bis Ende 2024 weiterhin tun wird - darf man damit rechnen, dass es nicht nur bei den drei auf diese Weise von Gaia entdeckten Schwarzen Löchern bleiben wird.
Sein Kollege Stefan Jordan kümmert sich am ARI unter anderem um populärwissenschaftliche Visualisierungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Gaia-Mission. „Die enorme wissenschaftliche Bedeutung dieses Fundes hat mich veranlasst, ein ausführliches erklärendes Video zu erstellen, das von jedermann auf Youtube und auf den Webseiten der ESA angeschaut werden kann,“ ergänzt Jordan.
Endlich steht nun ein Exemplar der mysteriösen schweren Variante Schwarzer Löcher vor unserer kosmischen Haustür zur genauen Untersuchung bereit. Es ist mit nur 2000 Lichtjahren Distanz gleich millionenfach näher als alle bisher bekannten Seinesgleichen. Für uns auf der Erde besteht dennoch keine Gefahr. Doch Forschende, die sich mit Schwarzen Löchern beschäftigen, dürften dennoch in heller Aufregung sein.
BETEILIGUNG DES ASTRONOMISCHEN RECHEN-INSTITUTS AN DER GAIA MISSION
Finanziert aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg (via Uni HD) und der Deutschen Raumfahrtagentur DLR arbeiten im Rahmen des wissenschaftlichen Gaia-Konsortiums DPAC neun Wissenschaftler am ZAH (ARI) für das Gaia-Projekt der ESA. Einige zentrale Funktionen des Konsortiums sind hier angesiedelt: Gonzalo Gracia ist der wissenschaftliche Koordinator des 450-köpfigen Gesamtkonsortiums. Michael Biermann leitet die größte Abteilung des Konsortiums, die aus ca. 90 Wissenschaftlern besteht und für die gesamte Verarbeitungskette von den Rohdaten des Satelliten bis zur Erstellung des astrometrischen Hauptprodukts der Mission zuständig ist. Wolfgang Löffler ist der Leiter des sogenannten First Looks, einer komplexen täglichen Auswertung der Rohdaten zwecks Untersuchung des Zustands der Instrumente an Bord und der wissenschaftlichen Datenqualität. Stefan Jordan ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Konsortiums zuständig.
ORIGINALE VERÖFFENTLICHUNG
Discovery of a dormant 33 solar-mass black hole in pre-release Gaia astrometry, Gaia Collaboration, P. Panuzzo et al., Astronomy & Astrophysics, 2024
BEGLEITENDE DIDAKTISCHE MATERIALIEN
Animation des BH3 System von Stefan Jordan: https://youtu.be/O4sZ2ZWxw-4 (Kurzversion) / https://youtu.be/CRX6l8gGXR0 (lange Version)
Gaia Sky Software: https://zah.uni-heidelberg.de/gaia/outreach/gaiasky
WEITERE PRESSEMITTEILUNGEN
Pressemitteilung der ESO: https://www.eso.org/public/news/eso2408/
Pressemitteilung der ESA: https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Gaia/Sleeping_giant_surprises_Gaia_scientists
WISSENSCHAFTLICHER KONTAKT
Dr. Ulrich Bastian
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Astronomisches Rechen-Institut (ARI)
bastian@ari.uni-heidelberg.de
KONTAKT FÜR GAIA ANIMATIONEN UND SOFTWARE
Prof. Dr. Stefan Jordan
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Astronomisches Rechen-Institut (ARI)
jordan@ari.uni-heidelberg.de
KONTAKT FÜR DIE MEDIEN
Dr. Guido Thimm
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
thimm@uni-heidelberg.de