Die Entwicklung von Satellitengalaxien wird durch deren ständige Wechselwirkung mit dem sogenannten zirkumgalaktischen Medium geprägt, das ihre Zentralgalaxien umgibt. Dieses Medium wiederum wird durch das zentrale supermassereiche Schwarzen Loch beeinflußt, das sich häufig in den Kernen der Zentralgalaxien befindet. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Dr. Dylan Nelson vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) konnte nun durch die Analyse der Eigenschaften von mehr als hunderttausend Satellitengalaxien und ihrer Lage in Bezug auf die jeweilige Zentralgalaxie zeigen, dass diese umso häufiger Sternentstehungsaktivität aufweisen, je näher sie sich in Richtung der Achse aufhalten, um die sich die Galaxie vornehmlich dreht und entlang der das Schwarzen Loches bevorzugt Gas und Energie ausstößt. Ihre Beobachtung paßt genau zu der Natur der Wechselwirkung von Schwarzen Löchern mit massive Galaxienhalo, da Ausflüsse, die von aktiven galaktischen Kernen mit ihrem Schwarzen Loch angetrieben werden, das zirkumgalaktische Medium quasi reinigen, den Staudruck auf Satelliten reduzieren, wenn sie den Halo durchqueren und ihre Sternentstehungsaktivität dadurch nicht abgeschwächt wird. Diese Interpretation wird durch aufwändige numerische Simulationen namens IllustrisTNG unterstützt, deren Auswertung zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt. Die Ergebnisse der Forscher*innen wurden jetzt im Wissenschaftsjournal "NATURE" veröffentlicht.
Schwarze Löcher sind neben Sternen und Galaxien wohl die bekanntesten astronomischen Objekte. Tatsächlich sind sie ein heiliger Gral der Astrophysik. Gerade im vergangenen Jahr 2020 wurde Prof. Reinhard Genzel für seine Arbeiten zur Erforschung des Schwarzen Lochs in unserer Heimatgalaxie mit dem Nobel-Preis ausgezeichnet.
Schwarze Löcher haben sich inzwischen in vielerlei Hinsicht als Architekten des Universums entpuppt. Sie entfalten ihr Wirken und ihren Einfluss auf kleinen, aber auch auf sehr großen Skalen auf denen sie die Entwicklung ganzer Galaxien mit Millionen von Sternen beeinflussen, in deren Zentrum sie sich häufig finden. Dass ihr Einfluß weit über eine Galaxie hinaus wirkt, hat nun ein internationales Forscherteam unter Leitung von Ignacio Martín-Navarro vom Instituto de Astrofísica de Canarias, Instituto de Astrofísica de Canarias und der Universidad de La Laguna nachgewiesen. Die Daten für die Untersuchung lieferte der sogenannte "Sloan Digital Sky Survey (SDSS)", der nach Jahren intensiver Beobachtung des Himmels unter anderem einen Katalog mit Abbildungen und spektroskopischen Daten zu Millionen von Galaxien liefern konnte.
Martín-Navarro und seine Kolleginnen und Kollegen nutzen die Datenfülle des SDSS, um sogenannte Satellitengalaxien zu identifizieren. Dies sind kleinere Galaxien, die ähnlich wie Planeten um die Sonne ihre jeweilige sehr viel größere Zentralgalaxie umkreisen. Für jede dieser Satelliten bestimmten sie zunächst, wie aktiv in ihnen neue Sterne entstehen, sowie die Gesamtmasse ihrer jeweiligen Sternpopulation. Entscheidend war nun die Analyse, in welchem Abstand sich die Satellitengalaxien von ihrer jeweiligen Zentralgalaxien befinden und vor allem in welchem Winkel sie zu deren zentraler Achse stehen, der sogenannten kleinen Halbachse. Denn vor allem entlang dieser Achse sollte sich der Einfluß des Schwarzen Lochs im Zentrum entfalten.
Das Ergebnis der äußerst aufwändigen Analyse für eine Stichprobe von 124.165 Satellitengalaxien und 29.631 Zentralgalaxien war faszinierend: deutlich am häufigsten befanden sich aktiv sternbildende Satellitengalaxien in Regionen ober und unterhalb der angenommenen Scheibe einer Galaxie in die das schwarze Loch am meisten Energie abgibt. Dagegen waren fand man sie am wenigsten quasi in Richtung der Scheibeneben.
Dieser Befund ist sogar umso ausgeprägter, je massereicher die Zentralgalaxie und das zentrale Schwarze Loch ist und je geringer der Abstand eines Satelliten zum Zentrum ist.
"Wir schauten uns das Ergebnis unter dem Gesichtspunkt zweier unterschiedlicher Mechanismen an, die zu so einem Phänomen führen können" erläutert Dr. Dylan Nelson, der am Institut für Theoretische Physik eine Emmy-Noether Forschungsgruppe leitet. "Einerseits konnte ein Unterschied im Entstehungsort von Satellitengalaxien verantwortlich sein, je nachdem ob sie sich isoliert fernab großer Galaxien gebildet haben und dann quasi angezogen wurden, oder ob sie gleich in deren Umgebung entstanden sind. Andererseits kann es sich um eine Auswirkung des zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs handeln, das Gas und Energie in den Halo einer großen Galaxie abgibt, durch den sich die Satelliten bewegen, vornehmlich eben entlang der zentralen Achse."
Um beide Szenarien zu unterscheiden nutzten die Autoren die Ergebnisse von zwei Versionen einer umfangreichen kosmologischen Simulation namens Illustris bzw. IllustrisTNG. Der Unterschied bestand daran, dass in der zweiten Version die Auswirkungen zentraler schwarzer Löcher physikalisch präziser berücksichtigt wurde. Und tatsächlich zeigten erst in diesem Fall die simulierten Satellitengalaxien auch das in der Realität gemessene Verhalten.
Der Ursache war schnell gefunden. Denn die Gas- und Energieausbrüche Schwarzer Löcher entlang der zentralen Achse führen dazu, dass das zirkumgalaktische Medium, durch das sich die Satellitengalaxien mit mehreren hundert Kilometern pro Sekunde bewegen, fortgetrieben und ausgedünnt wird. Dadurch spüren sie quasi einen geringeren Fahrtwind, der ansonsten das Gas, aus denen sie ihre neuen Sterne bilden, einfach wegfegen würde. Das erklärt also, warum sie die aktiveren der Satellitengalaxien vornehmlich ober und unterhalb der Galaxienscheiben gefunden wurden.
Dieses Forschungsergebnis ist ein wunderbares Beispiel dafür, wir man aus umfangreichen Daten vorhergehende Himmelsbeobachtungen wie dem Sloan Digital Sky Survey und mit Hilfe von Computersimulationen neue Erkenntnisse zur Entwicklung von Galaxien erzielen kann.
ORIGINALE PUBLIKATION
Anisotropic satellite galaxy quenching modulated by supermassive black hole activity, Ignacio Martín-Navarro, Annalisa Pillepich, Dylan Nelson, Vicente Rodriguez-Gomez, Martina Donnari, Lars Hernquist & Volker Springel, NATURE, 594, pages 187-190 (2021), doi: https://www.nature.com/articles/s41586-021-03545-9
ERGÄNZENDE INFORMATIONEN
Homepage of SLOAN (https://www.sdss.org/)
Homepage of the Illustris TNG project (https://www.tng-project.org/)
Personal homepage of Dr. Dylan Nelson (https://www.ita.uni-heidelberg.de/~dnelson/)
Homepage of the Center for Astronomy (https://zah.uni-heidelberg.de/de/willkommen)
LOKALER KONTAKT FÜR DIE MEDIEN
Dr. Guido Thimm
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Email: thimm@uni-heidelberg.de
LOKALER WISSENSCHAFTSKONTAKT
Dr. Dylan Nelson
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Email: nelson@uni-heidelberg.de