Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Auszug aus einem Artikel von Wilhelm Foerster (1875)

Wilhelm Foerster:

Ueber einige neue, mit der Berliner Sternwarte verbundene, astronomischen Institutionen.

Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft, 10. Jahrgang (1875), p. 268 - 279.


In den letzten Jahrzehnten hat das Verkehrsleben und die industrielle Thätigkeit Berlins so stark zugenommen, dass sowohl durch starke Erschütterungen des Bodens, als durch merkliche Verunreinigungen der Atmosphäre die Bedingungen, unter welchen die Berliner Sternwarte mitten in der Stadt zu arbeiten hat, immer ungünstiger geworden sind.

Die Trübungen der Luft durch Rauch und Staub sind zwar in den späteren Nachtstunden unerheblicher, aber in den ersten Abendstunden bei Objekten von geringerer Höhe über dem Horizont eine Ursache bemerklicher Erschwernisse der Beobachtungen. Ferner bewirkt die intensive Entwickelung von aufsteigenden Luftströmen, welche im Sonnenschein über den sich stark und schnell erwärmenden Steinmassen einer grossen Stadt ensteht, ebenfalls eine gewisse Beeinträchtigung der Güte der Bilder.

Den Erschütterungen, welche durch den grossen Strassenverkehr auf einem überdies in Folge ungünstiger Bodenbeschaffenheit sehr schlecht erhaltenen Pflaster hervorgebracht werden, hat man auf der Berliner Sternwarte auf mannichfache Weise entgegen zu wirken gesucht.

Die aus dem Boden kommenden Erschütterungen der Instrumente selbst, welche bei starken Vergrösserungen und bei sehr ruhiger Luft, z. B. am Meridianfernrohr in bemerkbaren Oscillationen des Horizontalfadens gegen den durchgehenden Stern oder Sonnenrand, erkennbar sein müssen, können zwar, wenn sie klein und einigermassen gleichartig sind, der Messung nicht merklich schaden. Im Allgemeinen vermischen sie sich mit den Einflüssen der Luftwallungen, und sind daher auch bei uns noch an der Grenze der direkten Sichtbarkeit.

Dagegen wirken dieselben Erzitterungen des Bodens bei den Beobachtungen im Quecksilberhorizont bereits sehr störend, mitunter derartig, dass gar kein deutliches Bild zu Stande kommen kann.

Aufhängungen der Quecksilberhorizonte in Gummigehängen haben längere Zeit hindurch erwünschte Abhülfe geschaffen, aber die Komplikationen dieser Einrichtung und zugleich gewisse besondere Fehlerquellen derselben haben doch dazu geführt, dass bis auf Weiteres Reflexionsbeobachtungen aufgegeben und durch Kollimatorbeobachtungen ersetzt worden sind, bei denen sich die Erschütterungen nur noch in so kleinen Oscillationen der Fadenkreuze und der Blasen der Wasserwaagen zeigen, dass die Beobachtungen dadurch nicht irgendwie ungenauer werden können.

Es ist zwar noch nicht aufgegeben, mit Hülfe besonderer Einrichtungen, über deren zweckmässige Ausführung Experimente vorbehalten sind, für gewisse Reihen von Fundamentalbestimmungen auch zu Reflexionsbeobachtungen zurückzukehren, jedoch folgt aus der Gesammtheit der oben erwähnten Störungen, insbesondere der vermehrten Trübung der Luft, dass eine so gelegene Sternwarte in vollem Umfang für alle astronomischen Forschungsaufgaben, z. B. für feinere optische, etwa spectralanalytische Untersuchungen, überhaupt für astrophysikalische Arbeiten nicht mehr mit Vortheil eintreten kann.

Auch erdmagnetische Beobachtungen, welche bisher im Garten der Sternwarte angestellt worden waren, haben aufgegeben werden müssen, weil die fortschreitende Bebauung der Nachbarschaft die Richtigkeit selbst der beobachteten jährlichen Variationen in Zweifel zu stellen begann; wie denn auch fundamentale meteorologische Beobachtungen unter den geschilderten Bedingungen der Lage mit sehr erheblichen Fragezeichen behaftet sein dürften.

Aus allen diesen Gründen ist seit einigen Jahren der Plan langsam gereift, der Berliner Sternwarte eine Ergänzung zu geben durch eine in der Nachbarschaft in einer Lage von dauernd gesicherter Gunst der äusseren, hauptsächlich der atmosphärischen Bedingungen zu errichtende Warte, welche vorzugsweise feinen optischen, insbesondere astrophysikalischen Arbeiten und den damit in Verbindung stehenden Arbeiten im Gebiet der Erdphysik gewidmet sein sollte.

Diese Pläne und Bestrebungen haben im Laufe der letzten beiden Jahre feste Gestalt gewonnen, indem die Begründung eines astrophysikalischen Observatoriums, welches unter Anderem auch fortlaufenden Beobachtungen und Photographirungen der Phänomene auf der Sonnenoberfläche gewidmet sein soll (Sonnenwarte), in der Nähe von Potsdam auf einem dem Staate gehörigen Waldhügel, dem sogenannten Telegraphenberge, von Seiten der Regierung beschlossen und bereits kräftig in Angriff genommen worden ist.

Die Lage dieses neuen Observatoriums, für deren dauernde Sicherung durch die Eingrenzung eines bedeutenden umgebenden Waldterrains gesorgt ist, wird insbesondere dadurch höchst günstig sein, dass dasselbe zwischen Südosten und Südwesten auf 1-2 Meilen Entfernung nur auf Hügel- und Waldland, welches dem Staate gehört, blicken wird, somit gerade in Betreff der aufsteigenden Luftströme, z. B. bei Sonnenbeobachtungen, unter ungewöhnlich vortheilhafte Bedingungen gestellt ist. Daneben ist es durch die besondere Lage ermöglicht worden, fast alle die Uebelstände zu vermeiden, die mit der isolirten Lage derartiger Institute leicht verbunden sind. Der Bahnhof der Berlin-Potsdamer Eisenbahn liegt nämlich nur 10 Minuten von der Höhe des Telegraphenberges entfernt, und bei den eingerichteten guten Kommunikationen wird sonach für die Verbindung mit Potsdam und Berlin alle wünschenswerthe Leichtigkeit vorhanden sein.

Das neue astrophysikalische Observatorium wird mit einem grösseren Instrument, dessen elfzölliges Objektiv von Hugo Schröder in Hamburg hergestellt wird, und dessen Montirung von den Gebrüdern Repsold daselbst übernommen ist, und mit einem sehr vollkommenen grossen Spectralapparat von Schröder ausgerüstet, ausserdem werden mehrere kleinere Fernröhre, unter ihnen ein achtzölliges von Grubb in Dublin, mit zugehörigen Spectralapparaten, sowie ein nach neuen Principien zu bauender Heliograph für photographische Aufnahmen vorhanden sein.

Die zugehörigen physikalisch-chemischen Laboratorien und photographischen Reproduktions-Einrichtungen werden in umfassender Weise bedacht, und zur Verbindung mit den astrophysikalischen, besonders den Sonnenbeobachtungen, werden auch möglichst vollständige erdmagnetische und meteorologische Apparate in Thätigkeit sein.

Bisher ist noch keine definitive Entscheidung bezüglich der künftigen Leitung der ganzen Institution getroffen worden, doch ist es bereits seit vorigem Jahre gelungen, drei der namhaftesten Astronomen, welche Deutschland auf dem Forschungsgebiet des neuen Observatoriums besitzt, nämlich die Herren Professor Spörer, Dr. Vogel und Dr. Lohse, für dasselbe zu gewinnen.

Diese drei Astronomen bilden zunächst den Kern des Personals und stehen bis jetzt in einer gewissen Verbindung mit der Berliner Sternwarte. Die Herren Dr. Vogel und Dr. Lohse sind einstweilen auf dieser Sternwarte, wo ihnen auch vorläufig Experimentir-Räume zur Verfügung gestellt werden konnten, mit Vorarbeiten an dem bereits fertig gestellten grossen Spectroskop von H. Schröder beschäftigt und widmen sich zugleich in Verbindung mit Herrn Professor Spörer der Fürsorge für die Einrichtungen des neuen Observatoriums. Zu demselben Zweck ist Professor Spöhrer bereits nach Potsdam übersiedelt, woselbst ihm ein vorläufiges Beobachtungslokal hergestellt worden ist, in welchem er, wie bisher, regelmässigen Beobachtungen der Sonnenoberfläche obliegt. -

Während auf diese Weise für die Vervollständigung der astronomischen Einrichtungen Berlins unter den besten Bedingungen der Lage, welche in unserem Klima überhaupt gefunden werden können, Vorsorge getroffen ist, wurde andererseits auch eine Vervollständigung der Einrichtungen der Berliner Sternwarte auf denjenigen Gebieten, deren Bearbeitung ihr voraussichtlich dauernd obliegen wird, in's Auge gefasst.

Auf eine Verlegung unserer Sternwarte in die Umgebung der Stadt war definitiv verzichtet und statt dessen die Errichtung eines zweiten Observatoriums vorgezogen worden, weil die Berliner Sternwarte trotz der oben hervorgehobenen allmählich vermehrten Ungunst der Lage noch auf lange Zeit hinaus im Stande sein wird, nicht nur bei den Ortsbestimmungen der Planeten, Kometen und der sogenannten Vergleichssterne, sondern auch bei fundamentalen Ortsbestimmungen mitzuwirken, ganz besonders aber, weil sie dauernd die wichtige wissenschaftliche Aufgabe behalten wird, in der ihr gewährten Verbindung mit einer grossen Universität durch ihre Instrumenten- und Büchersammlung und durch die lehrende und einübende Thätigkeit ihrer Astronomen einen bedeutenden Antheil an der Heranbildung neuer Kräfte für die astronomische Forschung zu nehmen. Letztere Aufgabe würde ihr nach allen heute vorhandenen Erfahrungen in hohem Grade verkümmert werden durch jegliche Vermehrung ihrer Entfernung von der Universität und den technischen Hochschulen der Hauptstadt. Um aber diese überwiegende Bedeutung der Lage der Sternwarte in immer vollerem Maasse auszunutzen, erschien es rathsam, neben der Förderung, welche der astronomischen Beobachtung durch das neue Observatorium gewährt wurde, auch der Behandlung der astronomischen Lehraufgaben in möglichst naher wissenschaftlicher und räumlicher Verbindung mit der Berliner Sternwarte und Universität eine noch vollständigere und wirksamere Organisation, als bisher, zu geben. Da die Berliner Sternwarte schon bisher einer der Mittelpunkte astronomischer Berechnungen und sich daran anschliessender theoretischer Arbeiten geworden war, indem sie seit etwas über einem Jahrhundert die Aufgabe übernommen und durchgeführt hatte, in dem Berliner Jahrbuch die für den astronomischen, geographischen und geodätischen Dienst und für die wissenschaftliche Fortentwickelung der astronomischen Theorien erforderlichen Vorausberechnungen zu geben, so erschien es rathsam, diese Thätigkeit der Sternwarte, welche bisher mit verhältnissmässig geringen Mitteln dotirt gewesen war und daher dem Leiter der Beobachtungsarbeiten der Sternwarte und auch einem Theile ihres Beobachtungspersonals mit obgelegen hatte, als eine besondere Abtheilung der Sternwarte selbständiger zu fundiren.

Es wurde demnach beschlossen, die Herausgabe des Berliner astronomischen Jahrbuchs einer neuen, zwar in Verbindung mit der Sternwarte bleibenden, aber in gewissem Grade selbständigen Institution zu übertragen, welche zugleich als ein Seminar für die Ausbildung jüngerer Kräfte in astronomischer Theorie und vorzugsweise in der wissenschaftlichen Disciplin numerischen Rechnens dienen sollte. Die verantwortliche wissenschaftliche Leitung dieses astronomischen Recheninstitutes wurde in Gemeinschaft mit dem Direktor der Sternwarte dem bisherigen ersten Assistenten derselben, Herrn Professor Dr. Tietjen, übergeben, und es wurde beschlossen, die Bedeutung, welche man der künftigen Entwickelung dieser Institution in dem Organismus der exakten Wissenschaften überhaupt beilegte, dadurch zu bethätigen, dass man für dieselbe die Errichtung eines besonderen ansehnlichen Dienstgebäudes in dem Garten der Sternwarte anordnete, in welchem zugleich eine Anzahl von Wohnungen für solche einheimische und auswärtige Studirende oder jüngere Gelehrte bedacht wurde, welche sich für eine gewisse Zeitdauer lernend und mitwirkend der Thätigkeit der neuen Institution anschliessen würden.

Von Seiten der vorgesetzten Behörde wurde hierbei ausdrücklich die Wirksamkeit des astronomischen Recheninstitutes als erweiterungsfähig in dem Sinne anerkannt, dass dasselbe allmählich in den Stand gesetzt werden solle, auch anderen wissenschaftlichen Disciplinen, als der Astronomie, nicht nur durch Heranbildung von gediegenen Rechnern, sondern auch durch verantwortliche Uebernahme von systematischen Berechnungen grösseren Umfangs Hülfe zu leisten.

Zunächst wird von der Leitung des noch in der Entwickelung begriffenen Instituts ausschliesslich beabsichtigt, die Herausgabe des astronomischen Jahrbuchs in der bisherigen Weise und wo möglich mit vermehrter Sicherheit und Vollständigkeit derartig weiter zu führen, dass das Jahrbuch hauptsächlich ein Hülfsmittel, sowie ein Publikationsmittel für Berechnungen der Planeten und periodischen Kometen bildet.

Bei näherer Erwägung der bisherigen Art der Planetenbearbeitungen und derjenigen Maassregeln, welche in Zukunft zu ergreifen sein möchten, um in noch höherem Grade, als bisher, die Kenntnis der Bahnen der immer zahlreicheren Planeten zu sichern, konnten Herr Professor Tietjen und ich nicht umhin, auf die Gesichtspunkte zurückzukommen, welche schon im Jahre 1871 auf der Versammlung der Astronomischen Gesellschaft zu Stuttgart (siehe Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft 1871 pag. 268 ff.) in voller Uebereinstimmung mit Professor Tietjen von mir dargelegt worden waren. Auf die Durchführung der für eine zweckmässigere Behandlung der Planeten-Beobachtungen und Berechnungen damals gemachten Vorschläge war bekanntlich, wie der Bericht über die Hamburger Versammlung der Astronomischen Gesellschaft (1873) und die Anhänge der Berliner Jahrbücher für 1875, 76, 77 darthun, nur in aufschiebendem Sinne verzichtet worden, einmal deshalb, weil mehrere missverständliche und erregte Auffassungen gegen die vorgeschlagene Bearbeitungsweise sich kundgegeben hatten, deren Beruhigung und Widerlegung man am besten glaubte dem weiteren Fortgang der Entwickelung überlassen zu dürfen, sodann weil die Entwickelung der neuen Institutionen in Berlin damals noch nicht hinreichend gesichert war, um bereits von Seiten der Redaktion des Jahrbuchs mit entschiedeneren Intentionen in das betreffende Arbeitsgebiet eintreten zu können. Nachdem seit jener Zeit für die Bearbeitung des astronomischen Jahrbuchs grössere Mittel in einer umfassenderen Organisation gewährt worden sind, ist die Redaktion des Jahrbuches nunmehr in der Lage, definitiv auf jene Vorschläge zurückgreifen und erklären zu können, dass sie schon in den nächsten Jahren mit der Bearbeitung der Planeten in der in dem Stuttgarter Bericht vorgeschlagenen Weise vorzugehen gedenkt.

Ohne auf die Einzelheiten der damaligen Darlegungen, welche seit jener Zeit allmählich die Zustimmung einer immer grösseren Anzahl von Fachgenossen gefunden haben, zurückzugehen, sei es gestattet, in Kürze die allgemeinen Principien derjenigen Bearbeitung der kleinen Planeten zu rekapituliren, welche die Redaktion des Jahrbuchs nunmehr den mitwirkenden Fachgenossen vorschlägt.

Unter den 150 bis jetzt entdeckten Planeten zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter werden es nach einem vorläufigen Ueberschlag etwas über 100 sein, deren Bahnen schon sicher genug bekannt sind, um die Beobachtung dieser Planeten für mehrere Jahrzehnte ohne jegliche Gefahr für deren jederzeitige Wiederauffindbarkeit und Identificirung unterlassen zu können.

Unter diesen 100 Planeten werden sich allerdings eine gewisse Anzahl solcher befinden, für welche andere Gesichtspunkte als die der Sicherung ihrer Wiederauffindbarkeit fortgehende Beobachtungen werthvoll erscheinen lassen, nämlich solche Planeten, deren immer genauere Bearbeitung wichtige Hülfsmittel für die Lösung anderer wissenschaftlicher Probleme umfassender Art zu liefern verspricht. Beispielsweise wären als solche Planeten, deren fortdauernde genaueste Beobachtung und Berechnung in allgemeinerem Interesse als wünschenswerth erscheint, aufzuführen:

a. Planeten, welche wegen ihrer Abstände von der Sonne zu Massenbestimmungen von Jupiter und Mars besonders geeignet sind;

b. Planeten, welche wegen ihrer Annäherung an die Erde zu Parallaxenbestimmungen geeignet sind;

c. Planeten, welche nahe physische Zusammenkünfte mit andern derselben Gruppe haben können;

d. Planeten, welche wegen grosser Excentricitäten und in Folge dessen eintretender grosser Veränderungen der Lichtstärken Anhalt für photometrische Untersuchungen gewähren können;

e. Planeten, welche wegen grosser Neigung der Bahn gegen die Ebene des Aequators grosse Veränderungen der Poldistanz erfahren und desshalb zu Kontrolen der Fundamentalsternpositionen beitragen können;

f. Planeten, welche wegen gewisser Beziehungen ihrer Umlaufszeiten zu den Umlaufszeiten der wichtigeren störenden Planeten gewisse besondere Störungserscheinungen erfahren können u. s. w.

Es liegt auf der Hand, dass man in dergleichen Erwägungen nur allmählich Vollständigkeit erreichen kann, und dass die Hülfe aller Fachgenossen, welche sich mit dem Gegenstand beschäftigen, erforderlich sein wird, um in der richtigen Durchführung dieser Kriterien und in ihrer ferneren Vervollständigung den strengsten Forderungen der Wissenschaft zu genügen.

Aber die Fachgenossen werden vermuthlich anerkennen, dass die Schwierigkeit der Aufstellung erschöpfender Gesichtspunkte dieser Art zur geeigneteren Bewältigung und Begrenzung einer höchst mühevoll und schwerfällig gewordenen Aufgabe kein Hinderniss dagegen bilden darf, überhaupt nach verständigen Gesichtspunkten der Anordnung und Begrenzung eines sonst maasslosen Arbeitsaufwandes zu suchen.

Nach den obigen Andeutungen würden bei der künftigen Bearbeitung der Planeten zwischen Mars und Jupiter etwa drei Hauptgruppen zu unterscheiden sein:

I. Planeten, deren Bahnen überhaupt noch nicht hinreichend genau für die Sicherung der Wiederauffindung bekannt sind, und deren genaueste fortlaufende Beobachtung und Berechnung daher bis auf Weiteres unbedingt erforderlich ist;

II. Planeten, deren Bahnen zwar hinlänglich bekannt sind, um Wiederholungen der Beobachtung derselben für mehrere Jahrzehnte ruhen lassen zu können, deren Bewegungen jedoch in dem Sinne der obigen Kriterien a. bis f. dauernd oder wenigstens für längere Zeiträume von so grossem Interesse sind, dass man an der unablässigen Vervollkommnung ihrer Theorien durch genaueste Vorausberechnung und vollständigste Beobachtung zu arbeiten hat;

III. Planeten, deren Bewegung für einige Jahrzehnte im Voraus hinreichend sicher bekannt ist, um von Wiederholungen der Beobachtungen für längere Zeit Abstand nehmen zu können, während ihre Bewegung andererseits zur Zeit kein deutliches wissenschaftliches Interesse bietet, welches dazu veranlassen könnte, fortgehende Verbesserungen der Theorien zu unternehmen und zu wiederholten Beobachtungen derselben aufzufordern.

Die unter I. und II. genannten Planeten werden fortan wo möglich mit noch grösserer Schärfe und Vollständigkeit als bisher zu berechnen und zu beobachten sein, und es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass die Einschränkung derjenigen Arbeiten, welche bis jetzt auch für die Kategorie III. ausgeführt worden sind, der viel wichtigeren Bearbeitung jener anderen Kategorien zu Gute kommen werde. Es lässt sich jedoch gegenwärtig nachweisen, dass die Beobachtung und Berechnung der in neuester Zeit entdeckten Planeten, welche einer fortgehenden Verfolgung durch Messung und Theorie zunächst viel dringender bedürftig sind, als die älteren, merklich leidet in Folge der fortgehenden genauen Berechnung und besonders der unablässigen Beobachtung solcher älteren Planeten, welche zunächst gar keiner weiteren Beobachtung bedürfen.

Es ist sogar ersichtlich, dass die Beobachter sich diesen letzteren mit Vorliebe zuwenden, so lange genaue Vorausberechnungen dafür veröffentlicht werden, weil die Aufsuchung jener Planeten bei schon sehr genau gewordenen Vorausberechnungen viel gesicherter und bequemer, und ausserdem die Kontrole der Beobachtungen durch die bereits hinreichend verfeinerte Theorie sicherer und anziehender ist.

Selbstverständlich müssen auch die Planeten der Kategorie III. in dem Sinne weiter bearbeitet werden, dass im Jahrbuch alle erforderlichen Hülfsmittel gegeben werden, um auch diese Planeten jederzeit mit genügender Sicherheit identificiren und sogar jederzeit, wenn sich dafür irgend welche rein wissenschaftlichen Motive geltend machen, in den Bearbeitungsmodus der Kategorien I. und II. wiederum aufnehmen zu können.

Es wird also auch für die Planeten der Kategorie III. von der Redaktion des Jahrbuches eine möglichst abschliessende Bearbeitung der bisherigen Beobachtungen da, wo dieselbe noch nicht vorhanden ist, angeregt oder ausgeführt werden, und es werden auch für alle diese Planeten auf Grund dieser abschliessenden Theorien und genäherter, für einige Jahrzehnte im Voraus etwa auf die Bogenminute geführter Störungsrechnungen fortlaufende Jahresephemeriden in der bisherigen Weise veröffentlicht werden, aber es wird vermieden werden, durch genaue Ephemeriden dieser Planeten die Beobachter zu veranlassen, die Mühe und Zeit, welche den Planeten der Kategorien I. und II. gebührt, auf Unnöthiges zu verwenden.

Es braucht kaum hinzugefügt zu werden, dass, wenngleich die Redaktion des Berliner Jahrbuches entschlossen ist, unterstützt durch die lebhafte Zustimmung zahlreicher Fachgenossen, selbst gegen vereinzelten Widerspruch mit obiger Bearbeitungsweise der Planeten vorzugehen, jeder sachliche Einspruch und jeder bessere Vorschlag immer bereitwilligste Berücksichtigung finden wird. Die Gesundheit der oben vorgeschlagenen Bearbeitungsweise besteht auch darin, dass sie die Möglichkeit bietet, nach Umständen jederzeit eine vollständigere Bearbeitungsweise der betreffenden Aufgabe auf Grund anderweitiger Erwägungen und Erfahrungen eintreten zu lassen.

Auch im Einzelnen bittet die Redaktion des Jahrbuchs um die Rathschläge der Fachgenossen bei der Einreihung der einzelnen Planeten in die verschiedenen Gruppen.

Der Jahrgang 1879 des Jahrbuchs wird durch ein festes Programm und eine nach demselben bemessene, möglichst strenge Bearbeitung der Aufgabe eine geeignete Grundlage für fernere Diskussion bieten, während in dem Jahrbuche für 1878, welches demnächst erscheinen wird, aus nahe liegenden Gründen noch ein gemischtes Verfahren geübt werden wird.

Gemeinsamen Erwägungen wird es sicher gelingen, allmählich auf diesen Grundlagen ein ganz rationelles System der Bearbeitung an die Stelle eines übermässigen Bemühens zu setzen, welches sogar von vielen Mitarbeitern nur mit Verdruss angesehen, von allen Unbetheiligten aber, selbst unter den Fachgenossen mit einer zum Theil gerechtfertigten Abneigung und Geringschätzung beurtheilt werden würde, und durch eine der Anordnung entbehrende Massenhaftigkeit der Arbeiten gerade die so wünschenswerthe theoretische Mitarbeiterschaft abschreckt.

F ö r s t e r.


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