Auszug aus den Lebenserinnerungen von Wilhelm Foerster
Wilhelm Foerster:
Lebenserinnerungen und Lebenshoffnungen.
(1832 bis 1910).
Verlag Georg Reimer, Berlin, 1911.
Die folgenden Auszüge aus diesem Werk betreffen die Einrichtung des Astronomischen Rechen-Instituts als separaten Teil der Berliner Sternwarte in den Jahren 1873 und 1874.
Seite 76 (Auszug):
[...]. Ich nahm zunächst auch eine Neugestaltung des von Lambert und von Bode (dem Vorgänger von Encke in der Direktion unserer Sternwarte) im Jahre 1775 begründeten Berliner Astronomischen Jahrbuches in die Hand, für welches späterhin die Arbeiten von Auwers epochemachende Bedeutung erlangen sollten. Einer meiner Mitarbeiter aus den Interimszeiten, F. Tietjen, ein oldenburgischer Bauernsohn von großer rechnerischer und theoretischer Begabung, erwies sich sehr bald als eine so eminente Hilfe, daß ihm im Jahre 1874 die selbständige Leitung eines auf meinen Antrag begründeten astronomischen Recheninstitutes, zugleich mit der Herausgabe des Astronomischen Jahrbuches, übertragen werden konnte, und an dieses Recheninstitut wurde dann auch ein Seminar für wissenschaftliches Rechnen angeschlossen, in welchem Tietjen und ich die Unterweisungen erteilten. Das Jahrbuch hat dann unter seiner Leitung und unter derjenigen seines Nachfolgers Bauschinger sich immer mehr zu dem anerkannten Zentralorgan für die rechnerische Durchdringung und Beherrschung der Planetenscharen entwickelt, deren Anzahl jetzt schon mehr als 600 beträgt. Die große Mehrzahl derselben bewegt sich zwischen der Marsbahn und der Jupiterbahn, aber einzelne sind auch schon gefunden worden, welche über diese Grenzen hinausgreifen, wodurch sie ganz besondere Wichtigkeit für alle Dimensionsbestimmungen und Kräftemessungen in unserem Planetensystem erlangt haben, wie insbesondere der auf der Sternwarte der Berliner Urania von G. Witt entdeckte Planet Eros, der die Bahn des Mars durchkreuzt und der Erde näher kommen kann, als irgendein anderer Planet.
Seite 127 (Auszug):
[...] In den Jahren 1873 und 74 gelang es, die schon oben kurz erwähnte bedeutende Erweiterung der astronomischen Arbeitsorganisation in Berlin zu erreichen, indem der Sternwarte ein astronomisches Recheninstitut angegliedert wurde, für welches auf dem Sternwartengrundstück ein besonderes Dienstgebäude entstand. Mit diesem Institut wurde zugleich ein Seminar für die Ausbildung im wissenschaftlichen Rechnen verbunden, welches eine erhebliche Erweiterung des mathematischen Unterrichts der Universität darstellte. Mit der Leitung des Recheninstitutes wurde der ausgezeichnete Mitarbeiter Professor Tietjen betraut, der mir, wie ich oben schon erzählte, entscheidende und unschätzbare Hilfe bei der emporgehenden Entwicklung des Berliner Astronomischen Jahrbuchs geleistet hatte.
Auch an einer andern Stelle des Sternwartengartens erhob sich um diese Zeit ein neues Gebäude, dessen Eindringen in diese Gartenfläche geringere Zustimmung bei meinen astronomischen Kollegen fand. Das Reich bewilligte nämlich im Hinblick auf meine Tätigkeit als Verwalter des deutschen Maß- und Gewichtswesens die Errichtung eines Zentralgebäudes für die Normal-Eichungskommission in der Nähe des Sitzes meiner astronomischen Amtstätigkeit, [...]