Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Seminar-Reglement vom 4. Januar 1879

Reglement für das Seminar zur Ausbildung von Studirenden

im wissenschaftlichen Rechnen an der Königlichen Universität zu Berlin

Paragraph 1.

Das Seminar zur Ausbildung von Studirenden im wissenschaftlichen Rechnen ist ein öffentliches mit der Universität verbundenes Institut, welches den Zweck hat, denjenigen Studirenden der mathematischen Wissenschaften, die bereits eine gewisse Summe von Kenntnissen sich erworben haben, zur zweckmäßigsten Ausführung wissenschaftlicher Berechnungen Anleitung zu geben und sie durch Bekanntmachung mit allen für exakte rechnerische Arbeiten vorhandenen theoretischen und praktischen Hülfsmitteln weiter auszubilden.

Paragraph 2.

Die Dirigenten des Seminars, deren Zahl in der Regel zwei beträgt, werden von dem Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten aus der Zahl der ordentlichen oder außerordentlichen Professoren der philosophischen Fakultät ernannt.

Auf Antrag der Letzteren können auch noch andere Dozenten der Universität zu Vorträgen und zur Betheiligung an der Leitung der Uebungen des Seminars von dem vorgeordneten Minister berufen werden.

Paragraph 3.

Als ordentliche Mitglieder dieses Institutes sind nur diejenigen immatrikulirten Studirenden zuzulassen, welche sich den exakten Wissenschaften, Mathematik, Physik, Astronomie u.s.w., im Sinne des Forschungs- und des Lehrberufes widmen, und welche mindestens im fünften Semester ihrer akademischen Studienzeit stehen.

Ausländer können unter denselben Bedingungen aufgenommen werden, wie Inländer.

Paragraph 4.

Die Aufnahme erfolgt auf Grund eines von den Dirigenten anzustellenden Kolloquiums und einer von dem Aspiranten einzureichenden schriftlichen Probearbeit, wodurch zu ermitteln ist, ob derselbe regen wissenschaftlichen Sinn und diejenigen Vorkenntnisse besitzt, welche nöthig sind, um an den Uebungen des Seminars mit Nutzen Antheil nehmen zu können.

Paragraph 5.

Die Anzahl der ordentlichen Mitglieder darf nicht mehr als zwölf betragen; die Direktoren sind jedoch befugt, auch über diese Zahl hinaus einige Studirende, welche die nöthige Vorbildung besitzen, als außerordentliche Mitglieder an den Uebungen des Seminars theilnehmen zu lassen.

Paragraph 6.

Sollte ein Mitglied sich der thätigen Theilnahme an den Uebungen des Seminars ungeachtet vorgängiger Warnung entziehen, so steht den Dirigenten das Recht zu, dasselbe von der Theilnahme am Seminar auszuschließen.

Paragraph 7.

Die Versammlungen des Seminars finden wöchentlich zweimal statt, zu einer Zeit, welche so zu wählen ist, daß sie nach Bedürfniß bis auf zwei Stunden ausgedehnt werden können.

Paragraph 8.

Die Vorträge und Uebungen des Seminars beziehen sich auf die gesamte Disziplin des wissenschaftlichen Rechnens. Es werden, da diese Disziplin in der Astronomie am meisten entwickelt ist, mit Nutzen astronomische Beispiele für die Uebungen gewählt werden können; doch sind dabei zu spezielle Voraussetzungen aus dieser oder einer anderen der exakten Wissenschaften im Allgemeinen zu vermeiden und die Aufmerksamkeit der Dirigenten vorzugsweise auf die formale Durchbildung in den wichtigsten Rechnungsmethoden, den numerischen Integrationen, Differentiationen und Interpolationen, der Methode der kleinsten Quadrate, den Näherungsmethoden jeder Art, den Methoden zur Reduktion und Prüfung von Messungen, Wägungen u.s.w., sowie auf die Lehre von den Rechenfehlern und den Rechnungskontrolen, überhaupt auf die größtmögliche Oekonomie des Rechnens und die zweckmäßigste Handhabung und Fortbildung des vorhandenen tabellarischen Apparates und aller sonstigen Hülfsmittel zu richten.

Paragraph 9.

Diejenigen Seminaristen, welche sich durch Fleiß und rege Theilnahme an den Uebungen, sowie durch gelieferte theoretische und praktische Arbeiten aus dem Gebiete des wissenschaftlichen Rechnens auszeichnen, erwerben einen Anspruch, bei der kostenfreien Vergebung der disponibeln Wohnungen in dem Dienstgebäude des Recheninstitutes der Sternwarte, in welchem auch die Lokalitäten des Seminars eingerichtet werden, berücksichtigt zu werden. Die Vergebung dieser Wohnungen an Mitglieder des Seminars erfolgt durch den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten auf Grund eines von den Dirigenten einzureichenden Berichtes.

Ueber die Wirksamkeit und den Zustand des Seminars wird alljährlich von den Dirigenten an den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten berichtet.

Paragraph 10.

Für die Studien und Arbeiten der Mitglieder des Seminars ist in dem in Paragraph 9 erwähnten Dienstgebäude, von dessen für das astronomische Recheninstitut bestimmten Räumen die für das Seminar bestimmten Räume sonst getrennt gehalten werden, eine wissenschaftliche Bibliothek aufgestellt, deren möglichst freie Benutzung unter Kontrole der Dirigenten den Seminaristen gewährt wird. Ebenso wird denselben die Benutzung des in demselben Dienstgebäude vorhandenen Lesezimmers, in welchem auch eine Anzahl periodischer Schriften aus dem Gebiete der exakten Wissenschaften ausliegen, sowie möglichst freie Benutzung aller anderen tabellarischen und litterarischen Hülfsmittel des Recheninstitutes gewährt.

Berlin, den 4. Januar 1879

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten Falk

ad U. I. 3112


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