Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Reglement vom 29. Juli 1874

für
das Institut zur Herausgabe des astronomischen Jahrbuches
und Seminar zur Ausbildung von Studirenden
in wissenschaftlichen Berechnungen.


Paragraph 1.

Das in der Ueberschrift genannte Institut, kurz als "Rechen-Institut der Sternwarte" zu bezeichnen, ist eine Abtheilung der letzteren und steht demnach unter der allgemeinen Leitung und Verwaltung der Direktion der Sternwarte.

Paragraph 2.

Innerhalb dieses Ressortverhältnisses übernimmt ein besonderer Dirigent mit wissenschaftlicher Verantwortlichkeit die Redaktion des astronomischen Jahrbuchs und die Leitung der praktischen Ausbildung von wissenschaftlichen Rechnern.

Paragraph 3.

Die Redaktion des astronomischen Jahrbuches erfolgt nach einem von dem Dirigenten des Rechen-Instituts mit dem Direktor der Sternwarte zu vereinbarenden wissenschaftlichen und Verwaltungsplane. Eine Revision dieses Planes kann auf Verlangen des Direktors der Sternwarte oder auf Antrag des Dirigenten des Instituts alljährlich vorgenommen werden.

Bis zu einer neuen Vereinbarung hierüber bleibt der vorhandene Plan bindend für den Dirigenten des Instituts.

Paragraph 4.

Der allgemeine Lehrplan des Seminars für Uebungen im wissenschaftlichen Rechnen und der besondere Lehrplan für jedes Semester wird zwischen dem Direktor der Sternwarte und dem Dirigenten des Instituts vereinbart.

Alle zur Ausführung des Lehrplans erforderlichen Anordnungen für die von dem Dirigenten selbst zu leitenden praktischen Uebungen hat letzterer selbstständig zu treffen, sofern nicht der Direktor der Sternwarte selbst die Ausführung gewisser Theile des Lehrplanes übernimmt, in welchem Falle die bezüglichen Ausführungs-Maßregeln zwischen ihm und dem Dirigenten zu vereinbaren sind.

Eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Direktor der Sternwarte und dem Dirigenten des Rechen-Instituts muß eintreten, wenn andere Angestellte der Sternwarte oder Docenten der Königlichen Universität unter der allgemeinen Verantwortlichkeit des Direktors der Sternwarte mit in die Ausführung einzelner Theile der praktischen Uebungen eintreten.

Paragraph 5.

Dem Dirigenten liegt die gegenüber dem Direktor der Sternwarte verantwortliche Verwaltung des Inventars des Instituts, sowie die Anordnung aller Ausführungsmaßregeln betreffend die Berechnung und den Druck des astronomischen Jahrbuches innerhalb des nach Paragraph 3 aufgestellten Planes ob.

Alle bei der Herausgabe des astronomischen Jahrbuches und der Verwaltung des Seminars thätigen und remunerirten Hülfskräfte stehen unmittelbar unter den Anordnungen des Dirigenten und haben nur das Recht schriftlichen Rekurses an den Direktor der Sternwarte mittels eines an den Dirigenten des Instituts einzureichenden Berichtes. Die Festsetzung der Remuneration erfolgt auf Antrag des Dirigenten durch den Direktor der Sternwarte.

Der Dirigent des Instituts hat ferner innerhalb der Rechenbüreaus für das astronomische Jahrbuch und innerhalb des Seminars die Disciplin zu überwachen; er hat ausschließlich das Recht und die Aufgabe in geeigneten Fällen wissenschaftliche Prüfungen des Personals und der Studirenden vorzunehmen.

Paragraph 6.

Wer Mitglied des Seminars werden will, hat sich bei dem Dirigenten zu melden und einer von demselben anzuordnenden und zu beurtheilenden Prüfungsmaaßnahme zu unterwerfen, welche entweder in einem mündlichen Examen oder in einer Probearbeit außerhalb des Seminars oder in einer kurzen Probezeit innerhalb des Seminars besteht.

Ueber die Aufnahme entscheidet in jedem Falle der Dirigent des Instituts.

In geeigneten Fällen kann derselbe die Aufzunehmenden von einer Aufnahmeprüfung dispensiren.

Auch Anderen als den Studirenden der hiesigen Universität kann die Aufnahme in das Seminar gewährt werden, vorausgesetzt, daß nach dem für jeden einzelnen Fall dieser Art einzuholenden Votum des Direktors der Sternwarte eine merkliche Verminderung der Fürsorge des Dirigenten für die Ausbildung der Studirenden hierdurch nicht bedingt werden kann.

Paragraph 7.

Das Seminar für wissenschaftliche Rechnungen stellt denjenigen welche mindestens ein halbes Jahr an ihm gearbeitet haben, auf Grund einer mündlichen Abgangsprüfung oder einer besonderen Probeleistung Zeugnisse über ihre Leistungsfähigkeit im wissenschaftlichen, sowie überhaupt im tabellarischen Rechnen aus.

Diese Zeugnisse sind von dem Dirigenten des Instituts zu unterzeichnen.

Der Dirigent ordnet von Zeit zu Zeit Wett- oder Preis-Arbeiten an, deren eventl. Remunerirung von dem Direktor der Sternwarte auf Grund vorheriger Vereinbarung auf den betreffenden Fonds angewiesen wird.

Paragraph 8.

Die Uebungsaufgaben des Seminars sind, insoweit es den besonderen Zwecken der Ausbildung der einzelnen Seminar-Mitglieder förderlich ist, im Allgemeinen so einzurichten, daß ihre Resultate der Herausgabe des astronomischen Jahrbuches und in zweiter Linie der Verwerthung der Beobachtungen der Sternwarte zu Gute kommen. Das Recheninstitut übernimmt auch die Ausführung anderer wissenschaftlicher Berechnungen für wissenschaftliche Institute, öffentliche Behörden oder einzelne Gelehrte durch Mitglieder des Seminars bei Gelegenheit der Uebungen oder durch die geübteren Hülfskräfte des Instituts, jedoch nur soweit, als die festen astronomischen Aufgaben und die Fürsorge für die Ausbildung der Lernenden dies gestatten, worüber, sobald eine Befürwortung der betreffenden Anträge wissenschaftlicher Institute, öffentlicher Behörden oder einzelner Gelehrten seitens des Dirigenten des Rechen-Instituts vorliegt, der Direktor der Sternwarte zu entscheiden hat. Die Uebernahme derartiger Rechnungsarbeiten erfolgt gegen Stipulirung eines Honorars, dessen Höhe von dem Dirigenten mittels eines schriftlichen Abkommens festzusetzen ist. Dieses Honorar wird entweder in vollem Betrage den mit der Aufgabe betrauten Hülfskräften unmittelbar ausgezahlt oder falls die Ausführung bei Gelegenheit der Uebungen des Seminars erfolgt, den Prämien-Fonds des Seminars überwiesen. Der Dirigent übernimmt durch beglaubigende Unterschrift die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der Ausführung solcher Arbeiten.

Paragraph 9.

Ueber die Thätigkeit und die Resultate des Instituts stattet der Dirigent alljährlich einen Bericht ab, welcher dem zu veröffentlichenden Jahresbericht des Directors der Sternwarte beigefügt wird.

Berlin, den 29. Juli 1874.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten. In Vertretung. Sydow.

U.I.3584


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