Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Prof. Dr. Klaus Meisenheimer verstorben


Prof. Dr. Klaus Meisenheimer (†) am MPIA (private Kommunikation)

Nachruf auf Prof. Dr. Klaus Meisenheimer im Namen des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)

Die Nachricht über den Tod unseres geschätzten Freundes, Kollegen und herausragenden Wissenschaftlers Dr. Klaus Meisenheimer erfüllt alle, die einen Teil ihres Lebensweges gemeinsam mit ihm gehen durften, mit Bestürzung und großer Trauer. Viele dieser Weggefährten arbeiten auch am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und möchten seiner Familie ihre aufrichtige Anteilnahme versichern und ihr herzlichstes Beileid zu diesem großen Verlust ausdrücken.

Klaus Meisenheimer wurde am 17. Juli 1951 in Tübingen geboren. Sein Physik-Studium absolvierte er an der Universität Freiburg, wo er im März 1980 seine Diplom-Prüfung in Physik und einer Diplomarbeit bei Prof. Dr. K. Runge über die Messung der Polarisationskorrelation im Zweiphotonensystemen aus der Elektron-Position-Vernichtung absolvierte.

Im September 1980 begann er seine Doktorarbeit bei Prof. Dr. Hans Elsässer am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg über die "Optische Identifikation und Untersuchung Extragalaktischer 5 GHz-Quellen". Nach seiner Promotion trat er ab April 1983 seine erste Postdoktorandenstelle ebenfalls am MPIA an, wo er sich nach mehreren Forschungsaufenthalt am Royal Observatory in Edinburgh auch habilitierte und als apl. Professor für Astrophysik forschte.

In wissenschaftlicher Hinsicht hatte Klaus Meisenheimers seinen Forschungsschwerpunkt vor allem auf zwei Gebiete gelegt: die Untersuchung der Kerne aktiver Galaxien, sogenannte "Active Galactic Nuclei" (AGN), und hochrotverschobener Quasare, sowie der technischen Konzeption und strategischen Durchführung großer Himmelsdurchmusterungen mit dem Ziel, die Entwicklung von Galaxien vor allem an solchen in kosmologisch interessanten Entfernungen zu untersuchen.

Da die AGN meist hinter enormen Mengen intergalaktischen Staubs verborgen sind, hat er sich schon früh den technischen Fortschritt in der Infrarotastronomie zu Nutze gemacht, denn Infrarot kann den Staub durchdringen und daher Informationen über die Vorgänge im Zentrum dieser Objekte liefern. Hierzu nutzte er im Rahmen eines von ihm konzipierten Key-Programms z.B. photometrische Daten des Infraotsatelliten Herschel im fernen Infrarot und sub-millimeter-Bereich, um die Sternentstehungsaktivitäten in Quasaren zu untersuchen. Seine Untersuchungen ergänzte er durch interferometrische Studien naher AGN mit Hilfe von MIDI ("MID-infrared Interferometric instrument") am Very Large Telescope der ESO, um die Struktur der Staubtori aufzuklären. So war es nur konsequent, dass Klaus Meisenheimer später die Konstruktion von MATISSE am MPIA leitete. Dazu sagte er: „Die Auflösung der Staubverteilung in den Kernen naher aktiver Galaxien war mein jahrzehntelanger Traum, der mit dem Bau von MATISSE endlich wahr wurde.“ Mit MATISSE, dem Multi AperTure mid-Infrared SpectroScopic Experiment, wurde das möglich. MATISSE kombinierte das von allen vier 8,2-Meter-Teleskopen des Very Large Telescope (VLT) der ESO gesammelte Infrarotlicht mit einer Technik namens Interferometrie. Meisenheimer und sein Team nutzten MATISSE, um z.B. das Zentrum der Galaxie Messier 77 bei verschiedenen infraroten Wellenlängen abzutasten und ein detailliertes Bild des Staubrings im deren Zentrum zu erstellen. Um die Vorgänge nahe der Schwarzen Löcher in Quasaren zu untersuchen nutzte er auch sekundäre "Sonden" wie z.B. den Jet des Quasars 3C273, dessen "Hot Spots" er zu Bestimmung magnetischer Strukturen und Teilchenbeschleunigung nutzte.

Klaus Meisenheimers zweites großes Forschungsfeld war die Konzeption spezieller kosmologisch ausgerichteter Himmeldurchmusterungen. Ein Beispiel ist der Anfang der 90er begonnene Calar Alto Deep Imaging Survey (CADIS), ein Vielfarbensurvey ausgewählter Felder in 15 Breit- und Schmalbandfiltern zwischen 400 nm und 2200 nm, kombiniert mit Beobachtungen durch ein abbildendes Fabry-Perot Interferometer. Der Survey war für die Suche nach hochrotverschobenen Ly-a Emittern (z> 5) sowie der Klassifikation und Bestimmung von Rotverschiebungen von Galaxien und Quasaren (bis z=3) konzipiert und einer der ersten dieser Art. Nachfolgeprojekte wie die COMBO-17 (Classifying Objects by Medium-Band Observations) Durchmusterung kombinierten die gesammelten Daten in Breitband- und Mittelbandfiltern, um die photometrische Rotverschiebung tausender Galaxien, Quasare und AGNs zu bestimmen und deren kosmologische Entwicklung zu studieren, u.a. die Zunahme der in Sternen gebundenen Masse, die überraschender Weise vor allem auf eher passive Galaxien zu entfallen scheint.

Doch neben seiner Forschung und seinem Engagement in der Lehre an der Universität Heidelberg sowohl als Dozent, als Tutor in Grundlagenvorlesungen und Betreuer zahlreicher Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten engagierte sich Klaus Meisenheimer auch umfassend in der Öffentlichkeitsarbeit des Instituts. Besonders setzte er sich viele Jahre lang ganz besonders für das Schülerpraktikum Astronomie ein, das er viele Jahre lang mit Unterstützung vieler seiner Kolleginnen und Kollegen leitete und so den wissenschaftlichen Nachwuchs für seine Leidenschaft Astronomie sicherte.

Am Ende des Lebens stellen sich viele Menschen oft die Frage, was sie hätten besser machen sollen oder was wirklich zählt. Und ihre Erkenntnis ist meist immer dieselbe: am Schluss sind es die Beziehungen zu anderen Menschen, die bleiben.

Und reich an Beziehungen war das Leben von Klaus Meisenheimer. Einige wenige kommen hier zu Wort, doch tatsächlich wären es sehr viel mehr, die Klaus Meisenheimer kannten oder mit ihm gemeinsam forschten. Und jeder von ihnen könnte sicher sein persönliches Bild eines unvergesslichen und aussergewöhnlichen Menschen und Wissenschaftlers zeichnen.

Cornelis Dullemond, jetzt Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Theoretische Astrophysik (ITA), arbeitete vorher viele Jahre am Max-Planck-Institut für Astronomie, dem Heimatinstitut von Klaus Meisenheimer, wo er den größten Teil seines wissenschaftlich erfolgreichen Lebens verbrachte. “Klaus und mich vereinte das gemeinsame Interesse an aktiven galaktischen Kernen. Er von der Beobachtungsseite, und ich von der Theorieseite. Die Zusammenarbeit über vielen Jahren halte ich, sowohl wissenschaftlich als auch menschlich, in freudiger Erinnerung.”

Auch Ralf Klessen, der ebenfalls am ITA als Professor für Theoretische Astrophysik forscht, hat Klaus Meisenheimer als international anerkannte Forscherpersönlichkeit und als engagierten Lehrer und Dozenten sehr geschätzt. "Mich hat stets beeindruckt, wie präzise Klaus hochkomplexe Zusammenhänge in Physik und Astronomie auf einfach Grundprinzipien zurückführen und diese in Vorlesungen und Seminaren an die Studierenden in unserer Fakultät vermitteln konnte."

Eduard Thommes, wissenschaftlicher Geschäftsführer am Institut für Theoretische Physik (ITP), hat bei Klaus Meisenheimer Mitte der 90er promoviert : "Klaus war ein sehr genauer Beobachter, genialer Instrumentenbauer und Physiker. Von ihm habe ich das „Handwerk“ der Astronomie gelernt. Ich bin sehr dankbar dass ich ihn über 30 Jahre als wissenschaftlichen Lehrer, Mensch und sehr guten Freund kennen durfte.“

Ähnliches gilt für Guido Thimm, wissenschaftlicher Geschäftsführer des ZAH. Klaus Meisenheimer hatte ihn ebenfalls für seine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut zu Beginn der 90er betreut. "Klaus war ein genialer Wissenschaftler und für mich ein Vorbild als Mensch. Es gibt niemanden, von dem ich mehr gelernt habe, als von ihm. Seine Begeisterung für die Astronomie spruühte förmlich aus seinen stets verschmitzt dreinblickenden Augen und er hat mich damit für mein Leben mit der Begeisterung für unsere gemeinsame Wissenschaft angesteckt." Die Doktorarbeit von Klaus Meisenheimer aus dem Jahr 1983 wurde für Thimm zu einer Art "Bibel der Datenanalyse" und sein persönliches Exemplar ist für ihn eine noch immer greifbare Erinnerung an ihn.

Norbert Christlieb, geschäftsführender Direktor des ZAH erinnert sich an Klaus Meisenheimers unerschütterlich freundliche und offene Art, die ihm seine beruflichen Kontakte zu ihm stets zu einem Vergnügen gemacht haben. Auch sein breites und tiefes Fachwissen, auf das er ohne Eitelkeit zurückgriff, werden ihm als Vorbild in Erinnerung bleiben.

Klaus Meisenheimer wurde am 10. Februar 2023 auf dem Friedhof in Heidelberg-Neuenheim beigesetzt. Er lebt aber nicht nur in seinen reichen wissenschaftlichen, sondern vor allem in seinen persönlichen Beziehungen zu Menschen in Heidelberg und weltweit weiter. Wir werden ihm stets ein respektvolles, freundschaftliches und sehr persönliches Andenken bewahren.


Dr. Guido Thimm
Wissenschaftlicher Geschäftsführer des ZAH

Stellvertretend für alle mit Klaus Meisenheimer wissenschaftlich und menschlich verbundenen Kolleginnen und Kollegen des ZAH.

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